Das ist echt interessant und manchmal sogar lustig, wenn man anderen Menschen so zuhört, was sie so alles von sich geben….
Seit ich aus meinem „Armen-Opfer-Dasein“ raus bin und endlich meine Scheuklappen ablegen konnte – bemerke ich so vieles, was mir vorher verborgen war und ich nicht sehen konnte durch meine Opferbrille.
Zwar habe ich schon immer recherchiert über die menschliche Natur, (bei meinen Arbeitsfeldern vor der Rente war das ganz leicht, denn ich habe dabei immer viel mit Menschen zu tun gehabt), aber jetzt nehme ich viel deutlicher wahr, was Menschen in der Opferposition im Blick haben (und damit haben sie natürlich auch ihr Handeln danach ausrichtet). Sie verlagern soooo viel nach Außen, was sie nicht bei sich sehen wollen/können, was in ihnen ist.
Die bösen, die gemeinen Menschen, die Achtlosigkeit in den Begegnungen, die Verwandten, die ihnen nicht glauben, die Blindheit anderer für ihr Leid, die Anklagen für das Nichtstun – dass die sich nicht verändern wollen, dass sie keine Verantwortung übernehmen, sich nicht aus der Komfortzone, bewegen wollen, überall Feinde, die ihnen was Böses wollen, Rücksichtslosigkeit, Egozentrik, Hilfe verweigern…. (tausenderlei) – alles wird im Außen verortet.
Und wenn man genau zuhört, verraten sie damit ganz viel über sich selbst. Das was sie lauthals verkünden und anderen unterstellen ist eigentlich das, was sie sich selber permanent antun. So traurig. Sie sind wie hypnotisiert und gucken immer nur auf die anderen, die alles falsch machen, ihnen nicht helfen und suchen sich in der Welt draußen wiederum andere, die sie in ihrem Scheuklappenblick verstärken (so fühlen sie sich gemeinsam gestärkt und zementieren immer mehr und lauter ihre Rechthaberposition). Statt ihren Blick auf sich und ihr Innen zu lenken, zu sehen, was sie sich damit selber antun, wird die feindliche Welt immer größer, bedrohlicher, auswegloser, destruktiver.
Aber zum Glück weiß ich nun (aus eigener bitterer Erfahrung), dass solche Umwege oft nötig sind, schade nur um die Lebenszeit und die eigenen Ressourcen , die man damit verbraucht, mit der man echt an der eigenen Veränderung hätte arbeiten können und damit auch etwas in der Welt verändern.
Und ich weiß auch, dass nach solchen energie – raubenden Zeiten (oft jahrelang) die meisten an den Punkt kommen, wo sie sich endlich stellen müssen/können und aus den anstrengenden Zeiten dann doch letztlich noch einen klugen Nutzen ziehen können, so dass die Zeit nicht vollends vergeudet war. Aber es gibt auch welche, die sterben so unveränderlich. Vielleicht haben sie einen Glaubenssatz in sich der so ähnlich lautet wie: ‚Ich sterbe lieber, als mich zu verändern‘ oder ‚ich habe immer recht‘ – oder ‚Glaube niemand anderen mehr’…
Es ist wirklich erstaunlich wie sehr sich die ‚böse‘ Welt im Außen plötzlich verändert, wenn man ‚zu sich im Innen‘ zurück kehrt, es ist wie ein nochmal geboren werden und man versteht das frühere Leben – nur noch mühsam. Und Sätze: Wie konnte ich nur? …. was habe ich mir bloß dabei gedacht?… Kopfschütteln …. etc. kommen einem in den Sinn. Man hat sozusagen, die Anklage an die Welt eingetauscht in eine freundliche und man erlebt wie sich plötzlich der Blick auf die Menschen und Sachverhalte verändert, wie sich wie Perlen, wunderbare Momente mit lieben Menschen, die einem wohlgesonnen sind, Erlebnisse der Freude – wie eine kostbare Perlenkette aneinander reihen, sie einen wie eine neue Essensart erfahrbar machen, (dass man vorher zwar scharf gewürzte, versalzene Speisen gegessen hat, aber einen jetzt ganz andere Speisen ernähren, deren feiner Geschmack nun wirklich mundet und nicht mehr nur Zunge und Gaumen verätzt) und man davon wohlig satt wird.
Eigentlich kann ich dich nur in dem was du geschrieben hast bestätigen.
Diese ‚Umwege‘ sind nötig – warum? Naja, der direkte Weg ist wie mit einer Lawine aus Emotionen und Erfahrungen versperrt und dann gibt es nur drei Möglichkeiten: Entweder davor stehend warten bis der Schnee schmilzt oder sich durchbuddeln und alternativ außen herum gehen… Wenn es denn als ‚Umweg‘ bezeichnet werden ‚muss‘, dann wie du es sagst als ’nötigen‘ Umweg – keinen den man selbst einfach aus dem ‚Spaß‘ heraus wählt. Ich halte ihn daher nicht für einen Umweg, sondern für einen sinnvollen Weg um die Lawine herum zum Ziel. Denn das Durchbuddeln dürfte bei vielen über ihre Grenzen der eigenen Leistungsfähigkeit hinaus gehen.
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Danke für Deine Meinung! Bei mir taucht die Frage auf: Was sind das denn für Grenzen, die da auftauchen?…. oder woran liegt es denn, dass die eigene Leistungsfähigkeit so gering ist (und so lange gering bleibt)? Kann es nicht sein, dass es daran liegt, dass man nicht mutig genug ist, oder sich nicht zutraut, dass jenseits dieser Grenzen doch die Lösung liegt? Und wenn wir sie endlich überschreiten, es einfach tun, wir dann die Erfahrung machen, dass es geht, und wir unser Leiden hinter uns lassen können? Also nach dem Motto, wenn wir alles so lassen, können wir uns nie befreien? Fehlt also nur der Mut Neues zu wagen, wenn wir an der Grenze Halt machen und bleiben wir so gefangen? Oder ist es das begrenzte Vorstellungsvermögen oder das begrenzte Bewusstsein, das dies verhindert uns zu befreien? Ist es vielleicht die Enge unserer Gedanken, die verhindert dass wir den herausführenden Schritt machen können? Und was sind das für Bedingungen die gebraucht werden um diesen Schritt gehen zu können? Ist es die Erkenntnis, dass es schlimmer nicht werden kann, und die Erfahrung, dass es doch schon schlimm genug ist? Also, heißt das, dass ein gewisses Maß an Leiden erfüllt sein muss, bis wir glauben können, dass es jetzt genug ist und wir dann auch danach handeln können? Wie war das bei Dir? Was hat Dich damals bewogen oder was war der Punkt wo Du die Grenze überschreiten konntest oder war es ein schleichender Prozeß, der sich wie von selbst eingestellt hat?
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Huch, das ist soviel an guten Fragen, da würde ich gerne in meinem Blog etwas detaillierter zu schreiben, wenn das OK ist für dich.
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Aber selbst „verfreilich“ 😉
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