Ich merke grad, dass eigentlich der neue Blog hauptsächlich aus Beiträgen besteht, in denen ich mein Leben neu aufrolle – es neu betrachte – neue Schlüsse ziehe – ihm neue Bewertungen gebe – vermehrt Sinn entdecke – und verstehe – auf eine andere Weise.
Die Tatsache, dass ich dies ganz öffentlich tue und nicht nur in meinem Tagebuch (das führe ich für intimere Dinge noch zusätzlich nebenbei) es mit den Lesern im www teile, verleiht diesen Erkenntnissen mehr Gewicht, macht sie bleibender, wichtiger, wahrer. Ich glaube das Schreiben hier ist für mich ungemein wichtig – es sind keine flüchtigen Gedanken, die ganz schnell wieder verschwinden können, sie haben Bestand und ich stehe dazu, stelle mich dem was ich da Neues über mich erfahre. Übernehme Verantwortung für mich!
Jetzt kreise ich hier hauptsächlich auch um mich – aber anders als im Melinas Blog – jetzt ist es sinnvoll, konkret und konstruktiv, ja und auf ordnende Weise – ich bringe Ordnung in meine Vergangenheit. Bis zu meinem 17. Lebensjahr lebte ich ja nur unbewusst – war nicht fähig zu reflektieren und in meinen jungen Erwachsenenjahren stellte ich zwar auch viele Fragen, aber ich hatte keine Antworten und in den damaligen Therapien verstand ich auch nicht, was ich dort sollte. Ich konnte sie nicht wirklich nutzen, denn auch dort musste ich um mein Überleben kämpfen (dachte ich – ich war gefangen im Leid). Dort war ich auch in dem Gedanken gefangen, dass Hilfe nur von Außen kommen musste. Heute begreife ich, dass ich auch damals schon alles in mir hatte, was ich brauchte um zu entdecken, dass ich all die Fähigkeiten bereits in mir hatte, die mich vom Leid erlösen konnten.
Ich begriff so viele Jahrzehnte nicht, dass Leid eigentlich ein Hinweis ist, dass etwas ansteht zu verändern – nicht im Außen sondern im Inneren (manchmal auch im Außen). Dass ich fähig war es los zu lassen, dass nur ich selbst mich davon befreien konnte. Dass ich dazu durch eine neue Tür gehen musste – die ich scheute wie der Teufel das Weihwasser. Warum? Einzig und allein weil sie neu war, diese Tür – weil sie mir Angst machte – weil sie ungewohnt war – weil das was sich dahinter verbergen könnte, ich mit alten Fantasien belegt hatte, die furchterregend waren.
Trotz all der Psycho-Bücher, die ich gelesen hatte in meinem Leben – fiel der Groschen einfach nicht. Und jetzt im Rückblick erkenne ich erst, was ich mir selbst (zusätzlich) unnötig angetan habe – Lebenszeit mir selbst genommen habe – mir selbst Leid angetan habe – nur weil ich nicht begriff! Das ist traurig – echt – wirklich traurig. Und alles nur weil ich in der Vergangenheit fest hing. Zum Glück hing ich nicht immer darin fest, z.B. in den Zeiten, wo ich mich für andere verantwortlich fühlte (den Erziehungszeiten als ich meine Tochter groß zog, den Ehrenämtern, im Beruf…) So habe ich gottseidank nur viel Zeit verloren, als ich in den Therapien war, wo mich auf Schritt und Tritt das Leid verfolgte.
Natürlich waren diese Zeiten des Leidens nicht völlig umsonst…. ich brauchte sie offensichtlich, um zu lernen, um zu spüren was früher war, Lehren eben, gegen die ich mich erfolglos wehrte, sie nicht wahrhaben wollte – und wiederholte und wiederholte was ich aus meiner Kindheit kannte. Das Neue war so schwer zu begreifen, dass es das gibt, es war so schwer zu verstehen, dass es da jenseits meines Leids auch Freude gab, sogar für mich. Und das Neue machte eben Angst. Es war wirklich so, wie ich im letzten Beitrag von Mischa zitierte: „Leiden ist schöner – als Veränderung“
Aber eigentlich stimmt das gar nicht – denn wenn man dabei ist, sich zu verändern, dann ist es so erleichternd, so hilfreich und gibt soviel Mut…. Nur der Übergang, der Punkt des no return, den es zu überschreiten gilt, der ist wirklich schwer.
All das Leiden hat für mich erst dazu geführt, die Motivation zur Veränderung aufzubringen. Ohne das Leiden hätte ich nicht gesucht und nicht geübt. Es ist für mich Bestandteil des Heilens geworden.
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Genau liebe Sophie, ja das Leiden bringt einen auf Trab – Ich hab mal einen Spruch auf einer Postkarte gelesen, das stand: Es gibt nichts zu verändern – außer du hälst es nicht mehr aus.
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