Lieber spät als nie

Ohne Glauben an etwas Höheres ….. wie kann man da leben? Ich könnte es nicht und wollte es auch nicht. Doch ich habe phasenweise früher auch ab und zu so gelebt. In dieser Zeit fühlte ich mich entweder absolut mächtig und glaubte – nur meine Sichtweise – wäre die einzig richtige….. Oder ich „war von allen guten Geistern verlassen“ und voller Hass auf alles und jeden, dem es besser ging als mir.

Damals – so begriff ich irgendwann, als ich wieder heraus war aus dieser
‚gottlosen Phase‘, dass ich wohl ein grausamer und erbarmungsloser Mensch werden würde, wenn es keinen Gott gäbe, bzw. nicht an einen glauben würde. Diese gottlosen Zeiten hatte ich in meinen jungen Erwachsenenjahren immer dann, wenn ich gerade vom Leben total enttäuscht worden war. Ich war dann wütend und böse und nichts mehr war mir ‚heilig‘. Es war ein furchtbarer Zustand, ich erinnere mich noch sehr genau. Es fühlte sich an, wie in einer Falle zu sitzen, allein und für immer. Alles war negativ, es gab keinen Sinn mehr, keine Hoffnung, kein Entkommen – das machte die Verzweiflung komplett. Denn hinter diesem „sich-gefangen-fühlen“ und der vordergründigen Wut – saß diese Verzweiflung, die Traurigkeit und die Hilflosigkeit.

Doch wie ich ja von klein auf gelernt hatte, es galt immer und überall zu kämpfen, nur so konnte man überleben. Damals kämpfte ich auch, ich kämpfte die Trauer weg, die Machtlosigkeit, die Wehrlosigkeit, das Gefühl der Ausweglosigkeit.

Solche Phasen dauerten nie sehr lange, denn sie sind unaushaltbar, zerstörerisch, so eng, so unnütz und zerissen einen innerlich richtig. Besonders ein Teil von mir lebte in diesem grausamen Zustand. Mein Rumpelchen! (Rumpelchen benannte sich so oder andere von meinen Innens gaben ihm diesen Namen, weil es in uns das Bild aus dem Märchen: Rumpelstilzchen bediente. Das Rumpelstilzchen aus der Märchenwelt, verfolgte seine (irdischen) Ziele mit Finesse und Ausdauer, als es aber merkte, dass es keinen Erfolg hatte, dann zerstörte es sich selbst, indem es sich ein Bein ausriss. Denn es trug unaushaltbare Spannungen in sich, die waren so stark, dass es kurz vor der Explosion stand). Mein Rumpelchen – wenn es auftauchte – war immer kurz vor dem explodieren, ich fühlte wie es inmitten von uns stand, die Fäuste geballt und ich wusste es wollte etwas…. nein alles zerreißen und zerstören, es wollte schreien, ganz schrill und laut, trampelte wütend mit den Füßen. Ich denke als es ‚geboren‘ wurde, waren wir so  um die zwei/drei Jahre alt. Es war ein sehr wütendes Innenkind. Es ist jetzt nur noch selten aufgetaucht, aber ich weiß, es ist noch da – in mir.

Und solche Gefühle von mörderischen Hass auf alles und jedes, weil man sich so hilflos fühlt, wenn man mit seinen Enttäuschungen nicht weiß wohin – sind wirklich zerstörerisch. Nicht den anderen tun wir mit solchen Gefühlen so etwas an, sondern uns selbst.

Ich habe gerade überlegt, wie ich damals vor Jahrzehnten aus solchen Gefühlen wieder rausgekommen bin. Nun, als junge Erwachsene landete ich damals ständig in der Psychiatrie, weil ich mich wieder erfolglos suizidieren wollte. Das war die Essenz – das Ergebnis meines Hasses – er richtete sich auf mich selbst letztendlich und wollte auch mich zerstören. Eigentlich logisch, denn wenn ich die Ursache meines Hasses war (in mir war er ja entstanden) war es nur logisch ihn auf diese Weise zu bekämpfen, indem ich mich eliminierte.

Mit dem Auslöschungsversuch tötete ich auch meinen Hass, und andere als Rumpelchen, konnten wieder weitermachen. (Bis zur nächsten Enttäuschung)

Nun, es ist wohl klar, dass das nicht eine wirklich intelligente Lösung war, sie war eher sowas wie eine wiederkehrende Plage.

Die „Suizid-Lösung“ ist jetzt sehr weit weg gerückt – besonders weit, weil ich inzwischen begriffen habe, dass da andere in mir sind, die einen vorzeitigen Tod immer vereiteln werden, denn die haben ja noch gar nicht richtig gelebt. oder leben gerne. Und ohne alle mitzunehmen, die da innendrin sind, wird uns nichts gelingen. Das haben wir kapiert.

Die Sehnsucht nach der jenseitigen Welt – unserer wahren Heimat, aus der wir kamen – ist immer noch da, besonders in Krisenzeiten, aber seit ich Verantwortung für meine Tochter damals vor 38 Jahren übernommen habe, geht das nicht mehr – sich davon zu schleichen. Die alten Bewältigungsmuster wurden durch das Verantwortlichsein für dieses Wesen, das ich geboren und gewollt hatte, ausgehebelt. Seit 38 Jahren versuche ich nun mit dieser Welt und seinen Lehren zurecht zu kommen, ohne zu kneifen. Ach, wäre ich doch nicht so ein „Langschläfer“gewesen, und hätte schon eher begriffen, meine Lebenszeit zu nutzen für Konstruktives statt für Destruktives und ständig wiederholender Qual. Nun, es ist wie es ist und ich brauchte halt so lange.

Wie heißt es so wahr im Volksmund: Lieber spät als nie!

 

11 Gedanken zu “Lieber spät als nie

      • Das hab ich gelesen . Ich für mich kann sagen, gut kann ich ohne Leben…. ganz ohne Druck dieser „höheren Macht“ oder sogar ganz ohne Gebote „gottes“.
        Auch das geht

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      • Wieso macht Dir das Druck? Es gibt keine „Gebote Gottes“ nur für die Katholiken und festgefügten Religionen, die meine ich nicht… Deine Aussage klingt nach schlechten Erfahrungen mit Religionen, dort findet man Gott nicht wirklich.

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      • Ich antworte Dir mit einer Metaphergeschichte:
        Wohin mit der Wahrheit?

        Es war vor langer Zeit, als Gott das Universum schuf. Er schuf die Sonne und den Mond und unseren Planeten, er schuf die Meere und die Berge auf diesem Planeten, die Pflanzen, die Tiere und den Menschen. Als er alles erschaffen hatte, gab es nur noch eines, was auf dieser Welt fehlte – die Wahrheit.

        Und Gott überlegte sich sehr genau, wohin er die Wahrheit tun sollte, denn die Menschen sollten sich anstrengen müssen, sie zu finden. Sollte er sie auf einen fremden Stern packen oder in kleine Stücke über alle Weltmeere verteilen? Aber all dies schien ihm keine gute Idee.

        Schließlich kam ihm die zündende Idee und…
        er packte die Wahrheit in das Herz eines jeden Menschen.

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  1. Ja aber das heißt dann ja auch,das jeder Mensch eine eigene Wahrheit im Herzen trägt oder?
    Und meine ist eben, das es so etwas wie Gott nicht gibt.

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    • Du, ich will Dir Deine Wahrheit doch nicht nehmen – ich schreib in meinem Blog über meine Wahrheit und meine mich vorwärtsbringenden Wahrheiten. 😉 und da gehört für mich Austausch auch dazu. Ich danke Dir für Deinen Beitrag hier, der hat mich jetzt zu einem weiteren Blogbeitrag inspiriert und werde ihn in ein paar Tagen online stellen.

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      • Ja ich weiß das jeder SEINE Sicht hat und in seinem Blog über sich schreibt,aber gerade bei diesem Thema muss ich einfach immer nachhaken. Da es mich wirklich interessiert, dieses Thema Glaube! Und ich sehe es auch als Austausch,deshalb Frage ich ja nach…. Ich finde das wirklich faszinierend wenn jemand an den Glauben hat, aber ich kann es eben nicht verstehen und deshalb frage ich um es zu verstehen…

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      • Ja, das gefällt mir sehr, dass Dich dieses Thema wirklich interessiert. Gerne mehr Austausch 😉 Hake immer nach…. ich werde Dir immer antworten – so gut ich kann.

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  2. Pingback: Abwesenheit von Glauben an etwas Höheres | Pollys Leben ohne Therapie

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